Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Diözesanarchiv (ehem. St. Paul)
Typ:
Archiv
Ort:
Aachen [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
Schoeps & Schlüter 🔗, Münster
Materialien:
Publiziert:
opus C [85] 2/2019
Seiten:
62 - 69
Inhalt:
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Neues Diözesanarchiv des Bistums Aachen

Für die Ewigkeit

In Aachen wandelte das dortige Bistum eine entwidmete gotische Saalkirche in sein neues Diözesanarchiv um. Der Umbau erfolgte als ein Haus-in- Haus- Konzept in Ortbetonkonstruktion. Mit einem Pumpausleger konnte nicht gearbeitet werden, die Betonage erfolgte mit enorm hoher Manpower.
Das alte Aachener Diözesanarchiv in den Kellern des dortigen Generalvikariats in der Klappergasse war 2013 ein Sanierungsfall. Die zu feuchten Räume waren nur unzureichend für eine dauerhafte Aktenlagerung geeignet und ohnehin stand der gesamte Verwaltungsbau zur Sanierung an. Hier bot sich die kaum 100 m entfernte, 2009 entwidmete Pfarrkirche St. Paul zur Umnutzung an. Deshalb entwickelte die Bauabteilung des Bistums Aachen unter Projektleitung des Architekten Peter Schumacher ein Haus-im- Haus- Konzept, bei dem im Hauptschiff der gotischen Saalkirche ein quaderförmiger Baukörper geschaffen wurde, der das eigentliche Archiv aufnahm. Die Seitenschiffe und der Chor sollten hingegen als offene Volumen bestehen bleiben.
Mit der entsprechenden Ausführungsplanung wurden die Münsteraner Architekten Schoeps und Schlüter beauftragt. Bewusst griff man auf deren Expertise zurück, da das Büro 2010 schon die frühere St. Christopherus- Kirche im Stadtteil Essen- Kray für das dortige Bistum zu einem Archiv umgebaut hatte. Anders als in Aachen ist dort allerdings der 1964 fertiggestellte Kirchenbau vollständig einbezogen worden.
Betonieren im Bestand
Moderne Archive arbeiten mit Rollregalsystemen, die sich mit Handkurbeln leicht auf Schienen verschieben lassen und eine hohe Lagerdichte ermöglichen. In Aachen entstanden bei einer Archivlänge von knapp 25 m auf zwei Etagen annähernd 5.000 Regalmeter. Für ein normales Bürogebäude werden Flächenlasten zwischen 1,5 - 2 KN/m² angenommen; hier hingegen musste mit einer Verkehrslast von 10 KN/m² denkmalgerecht operiert werden. Denn die Ursprünge des Kirchenbaus an der Jakobstraße reichen bis ins 12. Jhd. zurück, sein Untergrund gilt als Bodendenkmal. Gleichwohl im Zweiten Weltkrieg weitgehend durch einen kraterbildenden Bombentreffer zerstört, entschied man, den Untergrund so wenig wie möglich zu stören. Um nicht mit Streifenfundamenten zu arbeiten, teilte man die Neubaufundamentierung in zwei Systeme auf: Das Erdgeschoss ruht nunmehr auf einer Flachgründung, seine Außenwände und die Obergeschosslast hingegen auf Mikropfahlgründungen. Jeweils drei dieser Pfähle mit einem Durchmesser von 18 cm umgeben jeden Mittelpfeiler, die Eckpfeiler weisen vier Pfähle auf und alle reichen 16 m in die Tiefe hinab. Mit dieser Technik konnte eine Gräberstörung weitgehend ausgeschlossen werden, da an diesen Randstellen keine Gräber zu erwarten waren. Tatsächlich stieß man im östlichen Hauptschiff auf ein ziegelsteinüberwölbtes Grab. Für dessen Schonung erhöhte man den Archivfußboden generell um 12 cm. Um ferner das ungeöffnete Grab vor einer erhöhten Bodenkompression zu schützen, kofferte man die Bodenplatte darüber aus und bewehrte sie zusätzlich.
Die aufgehenden 25 cm starken Rohbauwände wurden massiv in Ortbeton erstellt. Ihre Außenwandflächen sind in Sichtbeton der Klasse II (SB2) ausgeführt, die mit der industriellen Wandschalung LOGO.3 des Herstellers Paschal erstellt wurden. Um die Schalungsaufteilung analog zum Bestand zu führen, wurde hier mit einem 240 cm hohen und 80 cm breiten Elementsondermaß gearbeitet. Dazu fertigten die Architekten detaillierte Schalungspläne an, die nicht nur die genauen Tafelpositionen, sondern auch die Positionen der Ankerlöcher vorgaben. Vorgesehen waren diese Gewindestangenöffnungen immer an jeder zweiten Elementkante, sie sollten allerdings aus formalen Gründen mit deutlich größeren Ankerlöchern erstellt werden. Die daran anschließenden Gewindestangengänge bestehen aus Faserzementröhrchen, die nach dem Verguss zum untrennbaren Bestandteil der mineralischen Betonmatrix wurden. Nach der Ausschalung wurden sie zudem mit Betonverschlusskonen versiegelt, womit eine Feuerwiderstandsklasse von F90 der Wände erreicht wurde.
Die eigentliche Betonage war nur mit einem immensen Personalaufwand zu realisieren, da an den Auslegereinsatz einer Betonpumpe nicht zu denken war: Weder die Gläser noch das historische Maßwerk der gotischen Fenster durften ausgebaut werden, weshalb der Beton per Schlauch durch den Haupteingang gepumpt wurde. Innen war passend zu dem jeweiligen Betonierabschnitt ein Gerüst aufgebaut, an dem der Schlauch nach oben geführt wurde. Die letzten Meter jedoch musste der schwere Betonschlauch in soviel Händen wie möglich gehalten werden.
"Es sah aus wie eine riesige Ameisenstraße!", erinnert sich Peter Schumacher. Manfred Schoeps ergänzt, dass an einem "Betontag" das ausführende Bauunternehmen Lamers mit bis zu 15 Leuten gleichzeitig vor Ort war. Auch technisch ging man an die Grenzen des Machbaren, da der flüssige Beton mitunter bis zu 50 m weit und nur selten auf geradem Weg zu befördern war. Seiner Viskosität waren daher relativ enge Grenzen gesetzt und trotz des Innenraums konnte wetterbedingt nicht an jedem beliebigen Tag betoniert werden.
Archiv und Verwaltung
Das neue, über zwei Lagerebenen geführte Archiv teilt sich in vier Brandabschnitte auf, diesem westlich vorgelagert befindet sich ein fünfter Abschnitt mit Treppenhaus und Aufzug. Nicht zuletzt auch aus Gewichtsgründen gibt es im Archiv keine Geschossdecke, sondern nur Gitterroste sowie die massiven Stahlträger, die die Rollregalschienen tragen. Vorteil dieser offenen "Boxenbauweise" ist eine beachtliche Raumvolumenerhöhung, die eine deutliche Raumklimastabilisierung ergibt. Hauptkenngröße bei Archiven ist die relative Luftfeuchtigkeit, weniger die Temperatur; diese sollte um die 50 % betragen. Beeinflusst wird die relative Feuchte jedoch nicht durch eine Klimaanlage, sondern allein durch die Raumtemperatur. Ist es zu feucht, wird geheizt; ist es zu trocken, lässt man den Raum auskühlen. Bis auf die Zugangstür sind die Räume verschlossen; zusätzlich weisen die ohnehin thermisch trägen Betonwände noch eine 6 cm starke Innendämmung aus Calciumsilikat auf. Geheizt wird geschossweise mit Flachradiatoren, die in Brüstungshöhe angebrachten sind. Sie schaffen einen thermischen Luftumlauf mit einem gleichverteilten und stabilen Raumklima.
Die wertvollen Bestände sind in einem vollklimatisierten Sonderarchiv im Obergeschoss untergebracht. Diesem unmittelbar zugeordnet ist ein Technikraum im 2. OG, der eigentlichen Büroetage. Über einen Deckendurchbruch ist das Sonderarchiv mit diesem Raum verbunden, durch den die erforderlichen Leitungen und Lüftungskanäle geführt sind. Vom Chorbereich aus ist dieser erkennbar an seinen mattierten Fensterscheiben.
Gegenüber dem grundsätzlich nur noch frostfrei gehaltenen ehemaligen Kirchenraum war eine leichte Außendämmung der Büroetage unerlässlich. Da jedoch keinerlei Regenwasser zu erwarten war, konnte mit scharfkantigen Vollholzprofilen gearbeitet werden, an die eine bodenhohe Festverglasung angeschlagen ist. Gegliedert wird diese durch blaue Lisenen, die aus schmalen, undurchsichtigen Gläsern bestehen. Es sind einfache Fensterflügel auf einer gläsernen Brüstung, die eine individuelle Belüftung der Büroflächen ermöglichen. Das Kirchenvolumen alleine wäre grundsätzlich ausreichend für den erforderlichen Luftwechsel gewesen, dennoch existiert zudem ein mechanisches Lüftungssystem, mit dem dem Neubau Außenluft zugeführt. Dies ermöglicht eine Ventilation unabhängig von einer künftigen, derzeit noch ungeklärten Nutzung des archivumgebenden Kirchenraums.
Zugänglich ist das neue Archiv über ein altes Seitenportal im Westwerk. Es führt über den früheren Kirchenvorraum zum neuen Archivtreppenhaus mit Aufzug. Über Sicherheitstüren gelangt man von diesem Treppenraum auch unmittelbar in die eigentlichen Archivräume und im 2.OG in die Verwaltung. Hier findet sich auch ein Leseraum, den jeder interessierte Bürger aufsuchen kann, um Unterlagen zu studieren. Der zweite Fluchtweg von hier führt über eine einläufige Gitterrosttreppe an der Neubaunordseite herunter auf die frühere Orgelempore und von hier weiter über ein Bestandstreppenhaus in den Kirchenraum. Nach draußen gelangt man von dort über zwei mit Panikschlössern versehene Seitentüren des südlichen Hauptportals.
Brandschutztechnisch wird der alte Kirchenraum als Außenraum eingestuft. Hierfür erhielt er ein unterhalb des Gewölbes angebrachtes, laserstrahlbasiertes Überwachungsnetz. Sobald dieses Rauch detektiert, wird Feueralarm ausgelöst.
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Zweifellos sind weite Teile der Konstruktion des neuen Diözesanarchivs zweckmäßigen Überlegungen geschuldet. Dennoch dokumentiert der harte Kontrast des Sichtbetons mit den weiterhin bestehenden Putzflächen des ehemaligen Kirchenraums, dass hier etwas sehr Beständiges geschaffen wurde. Nein, mit dem Royal Albert Museum hat das Royal Alberta Museum nichts zu. Letzteres steht anders als der phonetisch nahe britische Verwandte in der Hauptstadt des kanadischen Bundesstaates Alberta und ist - profan ausgedrückt - dessen Heimatmuseum. Alberta ist der westlichste der kanadischen Präriestaaten; die Natur ist hier sowohl im Übergang zu den Rocky Mountains im Westen begriffen wie auch zu den Tundra- und Permafrostgebieten der Polarregion. Insofern nimmt es nicht wunder, dass die naturkundliche Wissenschaft, insbesondere das Konservieren und Restaurieren von frühzeitlichen Naturpräparaten, hier eine zentrale Rolle spielt. Dass das "RAM" ein besonderes Museum sein muss, wird beim Betreten der großen gebäudehohen Lobby eindringlich klar: Begrüßt wird man vom Skelett eines Albertosaurus, einer Mammutskulptur und einem hundertjährigen Doppeldecker mit der Aufschrift "Edmonton".
In Edmonton ist es sehr lange sehr kalt; Wintertemperaturen unter -30°C sind keine Seltenheit, Temperaturen über 30°C jedoch die Ausnahme. Bewusst haben die DIALOG- Architekten bei dem sehr auf Nachhaltigkeit ausgelegten Museumsneubau auf ein Ausnutzen der Massenträgheit gesetzt und einen klassischen Massivbau aus Beton geschaffen. Wie ein Schwungrad nehmen die Baumassen im Sommer Wärmeenergie auf und geben sie langsam im Winter wieder ab.
Robert Mehl, Aachen